Eigentlich hatte ich nicht vor, mich auch auf dem Blog zum Corona-Virus zu äußern. Während ich auf Instagram in den vergangenen Tagen mehrmals auf kleine, lokale Unternehmen aufmerksam gemacht habe, die aktuell Unterstützung brauchen, wollte ich dem heutigen Thema aufgrund seiner Komplexität aber mehr Platz einräumen. Also, nehmt euch am besten einen Tee und macht es euch gemütlich… Und falls euch nur die Lösungsideen interessieren, scrollt einfach direkt bis zum Ende!

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Ladenschließungen

Um der Ausbreitung der Pandemie entgegenzusteuern, mussten in den vergangenen Wochen viele Läden schließen – genau genommen alle, die nicht für die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln oder Medikamenten wichtig sind. Das betrifft also auch sämtliche Fair Fashion Stores. Einige von ihnen haben vorsichtshalber bereits vor dem offiziellen Erlass den Verkauf vor Ort eingestellt.

Für die meisten Mitarbeiter*innen dieser Läden bedeutet das nun, dass sie in Kurzarbeit geschickt werden, wie z.B. loveco über Instagram mitteilte. Für Aushilfen auf 450€-Basis ist das nicht möglich, weshalb vermutlich einigen die Kündigung bevor steht, auch wenn darüber weniger geredet wird. Manche Läden sind aber auch fest entschlossen, niemandem zu kündigen, auch wenn die Fixkosten, wie z.B. die Ladenmiete, zurzeit ohnehin schon eine hohe Belastung darstellen.

Für die meisten bedeutet die Ladenschließung Umsatzeinbußen von mehr als 50%, da der Schwerpunkt häufig auf der Beratung vor Ort liegt. Zwar haben einige Läden auch einen eigenen Onlineshop, dieser ist jedoch in den meisten Fällen nicht die Haupteinnahmequelle und konkurriert natürlich auch mit den Onlineshops der Marken sowie mit größeren Anbietern wie beispielsweise dem Avocadostore. Da nun aber branchenübergreifend vielen Menschen Kurzarbeit – und damit einhergehend Lohneinbußen – bevorsteht, kommt auch die Online-Shopping-Laune bald womöglich zum Erliegen.

Was einige Händler*innen zurzeit also tun, um Kosten zu sparen, ist die Annahme von noch nicht bezahlten Waren zu verweigern. Und das wirkt sich unmittelbar auf die Labels aus, womit wir zum nächsten Punkt kommen.

Das ist allerdings nicht nur im Fair Fashion Bereich so. In den vergangenen Tagen hörte man über Primark, dass der Konzern sämtliche Lieferantenbestellungen storniert habe, die ihre Vertriebszentren noch nicht erreicht haben [1]. Das Unternehmen, das übrigens keine Online-Verkäufe tätigt, verwendet in seinen Verträgen eine Klausel über höhere Gewalt, um die Bestellungen zu stornieren. Da der Kette die Produktionsstätten nicht gehören, können sie sich so aus der Verantwortung ziehen und die Fabriken bleiben auf der Ware sitzen, die eigens für die Kette produziert wurde. Von anderen großen Firmen wie Adidas, H&M und Deichmann wurde bekannt, dass sie zukünftig keine Mieten mehr für ihre Ladenlokale zahlen wollen [2].

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Umsatzverluste der Labels

“Was uns in den vergangenen Wochen auf Trab gehalten hat, ist ein immenser Einbruch unser Umsatzzahlen. Während Klopapier und Nudeln die sozialen Netzwerke dominieren, ist die Aufmerksamkeit geschwunden fürs Thema Fair Fashion” schreibt zum Beispiel recolution im ersten Blogpost seiner Reihe “business as unusual” [3]. Diese möchte ich hier auch allen, die an einem Einblick in die Branche in Zeiten der Pandemie interessiert sind, wärmstens empfehlen. Weiter berichtet das Fair Fashion Label dort, dass Herzblut und Idealismus leider keine großen Rücklagen schüfen und sie – als Familienunternehmen ohne Investoren – auf Kredite bei der Bank und die Darlehen im Bekanntenkreis angewiesen seien, die für die Produktion einer jeden neuen Kollektion aufgenommen würden. Und letztlich eben darauf, dass die Kund*innen kaufen, damit das Geld wieder rein kommt.

Diese Saison wird es das wahrscheinlich nicht tun, denn auch wenn vielleicht schon einige Pakte die Läden erreicht haben und bezahlt wurden, werden die von den meisten Labels eingeplanten Nachbestellungen der Händler*innen diese Saison wohl nicht stattfinden. Das erschwert den finanziellen Start in die nächste Saison. Ich schätze, dass aufgrund dessen sowie aufgrund der Menge an bis dahin nicht verkauften Waren die nächsten Kollektionen möglicherweise weniger umfangreich ausfallen könnten, womit wir zu einer weiteren Station entlang der Wertschöpfungskette kommen.

Umsatzverluste in der Herstellung

Viele Fabriken, die Kleidung für den Fast Fashion Sektor herstellen, bleiben wohl zunächst komplett auf ihren Kosten und Kleidungsstücken sitzen. Den Fabriken bliebe zurzeit keine andere Wahl, als bereits hergestellte unerwünschte Waren zu zerstören oder zu selbst zu behalten und ihre Arbeiter*innen in Scharen zu entlassen, schreibt die Fashion Revolution Bewegung [4].

Aber auch im Fair Fashion Bereich sind Probleme zu erwarten: Fallen die Bestellungen weniger umfangreich aus, kommt auch weniger Geld rein, von dem die Fabriken die Näher*innen bezahlen könnten. Auch ihnen droht also Kurzarbeit, oder schlimmstenfalls die Kündigung. Und auch wenn den Näher*innen im Fair Fashion Bereich deutlich höhere Löhne gezahlt werden, bin ich mir nicht sicher, ob es in sämtlichen Produktionsländern Rettungsschirme für Unternehmen und ein ausreichendes Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld gibt, wenn überhaupt (ja, man kann sich auch über das System in Deutschland streiten, aber es ist vorhanden). IndustriALL beispielsweise sagt, dass (allgemein) Millionen von Arbeiter*innen in der Textilindustrie aufgrund des Virus bereits ihre Arbeit verloren haben und keinen Zugang zu sozialen oder finanziellen Sicherheitsnetzen haben [4].

Umsatzverluste bei den Hersteller*innen wirken sich weiterhin auf die Stofflieferant*innen – bis hin zu denen, die die Baumwolle anbauen – aus. Gewissermaßen reden wir hier von einem globalen Dominoeffekt.

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Positive Effekte und mögliche Problemlösungen

Da viele Leute aktuell zuhause sitzen, bleibt zu hoffen, dass neben Heimwerkeln und Kochen vielleicht auch das Reparieren von Lieblingskleidungsstücken oder das Aussortieren des Kleiderschranks auf dem Plan stehen. Sowohl das Reparieren, als auch das Weiterverkaufen oder Spenden spart Ressourcen, was der Umwelt zugutekäme (insbesondere, wenn dies den Konsum von Fast Fashion ersetzt). Auf Dauer wäre ein Konsum-Rückgang ohnehin nötig, jedoch ist die aktuelle Geschwindigkeit dessen für die Menschen entlang der Wertschöpfungskette problematisch.

Um das abzufedern, haben sich einige Fair Fashion Stores nun auf den Online-Verkauf verlegt, was ich zunächst kritisch sehe, denn es stellt eine zusätzliche Belastung für Paketzusteller*innen dar (auf der anderen Seite werden diese aber – wie mir eine Leserin auf Instagram schrieb – häufig nach der Anzahl der Pakete bezahlt, weshalb auch hier ein rapider Rückgang kritisch zu sehen ist). Auch die Lieferung per Lastenrad, die manche Läden anbieten, setzt die Mitarbeiter*innen einer gewissen Ansteckungsgefahr aus. Ob sie dies lieber in Kauf nehmen als die Zahlung von Kurzarbeitergeld, kann ich jedoch nicht beurteilen.

Zudem locken einige Fair Fashion Stores und Marken – wie z.B. Armed Angels mit der #armedangelsalliance – ihre Kundschaft nun mit Rabatten an (was unter Umständen wirtschaftlicher ist, als Kleidungsstücke wochenlang im Laden hängen zu haben, auch wenn pro Kleidungsstück weniger Geld rein kommt). Andere versuchen, mit Rabatten auf Gutscheine zumindest symbolisch den Preis und somit den Wert der Ware zu erhalten. Wieder andere verzichten konsequent drauf und setzten nun auf den #fairfashionsolidarity.

Alles hat seine Vor- und Nachteile, für mich sticht aber eine Lösung ganz klar heraus: Der Kauf von Gutscheinen bei lokalen Fair Fashion Stores – und das am besten online, sodass kein Versand per Post nötig ist. Die Läden stehen dabei auch nicht vor dem Problem, mit Retouresendungen umzugehen, die immer eine zusätzliche finanzielle Belastung durch Porto und Arbeitsaufwand darstellen und zurzeit vielleicht auch aus hygienischen Gründen schwierig sind.

Also, wenn ihr es euch zurzeit leisten könnt und demnächst ohnehin das ein oder andere neue Kleidungsstück braucht, dann unterstützt den Fair Fashion Stores eures Vertrauens jetzt mit einem Gutscheinkauf! Vielleicht kann man das mit einem Crowdfunding vergleichen, wo ebenfalls viele Menschen mit Beträgen in unterschiedlicher Höhe in eine unterstützenswerte Idee investieren und dafür später ein “Dankeschön” erhalten…

Wichtig ist außerdem, jetzt schon daran zu denken, in was für einer Welt wir leben wollen, sobald das Virus bzw. dessen Verbreitung eingedämmt wurde. Deshalb hoffe ich dieses Jahr auf eine möglichst laute Fashion Revolution Week in den sozialen Medien, aber dazu bald mehr.

Quellen

[1] The Times: Coronavirus: Primark in shock move to cancel all orders

[2] Tagesschau: Corona-Krise und Gewerbemieten: Adidas zahlt nicht mehr – andere folgen

[3] recolution: Business as unusal #001

[4] Fashion Revolution: The impact of COVID-19 on the people who make our clothes