Dass die Klimakrise inzwischen vielen – gerade jungen – Leuten Sorgen bereitet, lässt sich nicht mehr wegleugnen. Die Shell Jugendstudie beispielsweise konstatierte: „Aktuell benennen fast drei von vier Jugendlichen die Umweltverschmutzung als das Hauptproblem, das ihnen Angst macht, gefolgt von der Angst vor Terroranschlägen (66 %) sowie dem Klimawandel (65 %).“ [i]. Die Klimakrise würde intuitiv unterschätzt und häufig verdrängt. Das Bewusstwerden ihrer Brisanz könne schwierige emotionale Zustände wie Angst, Wut, Verzweiflung und Verbitterung sowie starke psychische Belastungen bis hin zu Depression hervorrufen, heißt es in einem Flyer der Bewegung Psychologists for Future und Psychotherapists for Future [ii]. Ich möchte dem Phänomen auf den Grund gehen.

Klimaangst

In unserer Dachgeschosswohnung ist es fast 30 Grad warm, ich nippe an einer Glasflasche mit halbwarmer Bio-Limo und starre auf ein noch fast leeres Worddokument. Spaßeshalber beginne ich meine Recherche mit einem Selbsttest auf klima-angst.de, beantworte Fragen wie „Wie stark beschäftigst du dich mit deinem Konsumverhalten?“ und „Können dich Alltagssituationen, wie z.B. Regale voller Plastikverpackungen, in eine Gedankenspirale über den Klimawandel oder die Schlechtheit der Menschheit versetzen?“. Am Ende steht da: „Du bist eher stark von Klima-Angst betroffen.“, was mich zunächst überrascht, habe ich mir doch bisher nie eine Apokalypse ausgemalt oder daran gedacht, Wasservorräte anzulegen. Ich grüble eine Weile, lese mir dann noch den Erklärungstext durch und werde darauf hingewiesen, dass mein Ergebnis keine Diagnose darstellt. Das liegt zum einen daran, dass dieser Test – wie sämtliche Online Tests – erst mal nur der Selbstreflexion dienen soll.

Eine Diagnose wäre aber auch nicht möglich, weil Klimaangst bisher nicht in der ICD* aufgeführt wird, wird mir Katharina van Bronswijk (Psychologin und psychologische Psychotherapeutin, aktiv bei den Psychologists for future) in einem Interview später erklären. Trotzdem gibt es schon eine Reihe von Angeboten für Betroffene: Im Flyer der Psychologists for Future und Psychotherapists for Future finde ich eine Adresse, an die man sich wenden kann, wenn man Beratung in Anspruch nehmen möchte – „auch schon vor einem Burnout oder einer ‚Klimadepression‘“.

Klimaangst

Was ist Klimaangst?

Auch wenn sich Klimaangst leicht als „Angst vor dem Klimawandel“ beschreiben lässt, möchte ich herausfinden, was genau diese ausmacht und wie sie eigentlich entsteht. Ich tue also, was ich in solchen Fällen immer tue: Eine Definition suchen. Fündig werde ich ebenfalls auf klima-angst.de: „Klima-Angst beschreibt die Sorge, dass der Klimawandel das eigene Leben bedroht oder in absehbarer Zukunft massiv einschränken wird und die generelle Angst, dass die menschliche Zivilisation oder alles Leben auf der Erde ernsthaft in Gefahr ist“ [iii].

Und wie fühlt sich Klimaangst an?

Unter meinen Leser:innen findet sich eine Person, der das Phänomen bekannt vorkommt und die mir einige Fragen beantworten kann: Alica. Alica hat, so schreibt sie mir, zum ersten Mal so etwas wie Klimaangst verspürt, als ihr im Alter von acht Jahren erklärt wurde was der Klimawandel ist: „Ich konnte nicht verstehen was der Klimawandel für Auswirkungen auf uns hat und das hat mir Angst gemacht“. Ihren Alltag beeinträchtige die Klimaangst aber kaum: Nur im Sommer, wenn es heiß und trocken sei oder wenn es einfach nicht genug regne, mache sie sich Sorgen. Allerdings gesteht sie auch, dass sie sich Gedanken darüber mache, wie ihr Leben in zehn Jahren wohl aussehen könnte.

Diese gedankliche oder auch die emotionale Beschäftigung mit dem Klimawandel zählt zu den vier Indizien für Klimaangst, die mir Katharina van Bronswijk im Interview aufzählt. Inwiefern man sich selber engagiert, inwiefern man schon Erfahrungen mit dem Klimawandel gemacht hat und inwiefern man in seiner Lebensführung dadurch eingeschränkt ist (das ist das Kriterium dafür, dass die Angst behandlungsbedürftig wird) sind weitere Anzeichen für Klimaangst.

Eine andere aufschlussreiche Antwort finde ich in einer Pressemeldung von Klima-Angst: „Betroffene Menschen würden sich auch nicht einfach nur vor dem möglichen Ende der Welt fürchten, sondern fühlten sich auch von Politik und Wirtschaft allein gelassen, verspürten Wut auf Mitmenschen, denen das Thema scheinbar egal ist, und gleichzeitig auch noch Scham, weil sie ja selbst durch ihr Konsumverhalten Teil des Problems seien.“, so Jan Lenarz. Es geht also nicht nur um Angst, sondern auch um eine Menge anderer Gefühle.

Klimaangst als etwas Normales und Positives

Laut Lenarz müsse man – wenn man über Klimaangst redet – zwischen einfacher und kritischer Angst unterscheiden. Während es sich bei kritischer Klimaangst um eine Angst handelt, die die Person, die sie verspürt, runterzieht, belastet oder einschränkt, kann einfache Klimaangst sogar motivierend sein. Für letztere wird an einigen Stellender Begriff „Klimabewusstsein“ verwendet.

Auch van Bronswijk sagt, es sei „erstmal total normal und ein Stück weit auch gesund – also ein Zeichen davon, dass man nicht verdrängt – wenn man Angst vor dieser Bedrohung durch den Klimawandel hat“, weil Gefühle für Menschen erstmal dazu da seien, uns die nötigen „Hummeln im Hintern zu machen“, sodass wir uns um unsere Bedürfnisse kümmern. Erst, wenn man Panikattacken bekäme, nicht mehr schlafen könne oder auch depressive Symptome zeige, oder aber sich selber ständig Schuldvorwürfe mache, würde sie zu einer Therapie raten. Dort würde geübt, so mit der Angst umzugehen, dass diese sich gut ins eigene Leben integrieren ließe, und daraus sinnvolle Handlungsmöglichkeiten abzuleiten. Ich habe Bedenken, dass einige Therapeut:innen das Thema noch nicht ernst genug nehmen, und frage sie, ob jede:r vernüftige:r Psycholog:in oder Psychotherapeut:in Angst vor dem Klimawandel ernst nehmen würde. Die bei den Psychologists for Future aktive Therapeutin antwortet: „Ja“ und „Ich würde sagen, das wär ein schlechter Therapeut, wenn der das Anliegen, mit dem ein Mensch zu ihm kommt, nicht ernst nimmt“. Zudem sei die Angst vor dem Klimawandel keine irrationale, da in der Wissenschaft Konsens darüber herrsche, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt und die Erderwärmung uns vor eine große Herausforderung stellen wird.

Generell rät van Bronswijk: „Habt Mut zur Angst“. Und auch eine zentrale Botschaft der Psychologists und Psychotherapists for Future lautet: „Die Sorgen und Ängste, die breite Teile der Bevölkerung zum Klimawandel umtreiben, sind für einen angemessenen Umgang mit der Krise vor allem etwas Gutes: sie motivieren uns zum Eingreifen“ [iv].

Klimaangst

Klimaangst als Stellvertreter-Thema?

Wozu diese Unterscheidung zwischen Klimabewusstsein und Klimaangst wichtig ist, beschreiben die Psychologists und Psychotherapists for Future auf ihrer Website: „Die inflationäre Verwendung des Begriffes Klimaangst ist im Rahmen der öffentlichen Diskussion um die Klimakrise als Folge des menschengemachten Klimawandels zu einem eigenen Phänomen geworden. Dieses Phänomen droht, die Bedeutung der Klimakrise zu verdecken: Wenn nämlich die Angst vor den Auswirkungen der Klimakrise zunehmend pathologisiert wird, rückt eine zu überwindende Angst in den Fokus der Bemühungen“ [v]. Wenn also das Kreisen um Emotionen die Behebung des eigentlichen Problems vom Radar verdrängt, haben wir wenig gewonnen: Denn während Medien über die Gefühlslage von Klimaaktivist*innen berichten (was ich für wichtig halte, sonst würde ich hier nicht selbst darüber schreiben), bleibt die Ursache für deren Klimaangst erst mal unverändert. Das Verwenden von Klimaangst als „Stellvertreter-Thema“ könne man als sogenannten climate delay discourse einordnen, was – so wie Whataboutism – eine Strategie darstelle, mit denen die Verursacher:innen des Klimawandels davon ablenken könnten, dass wir eine gesellschaftliche Veränderung bräuchten, erklärt van Bronswijk.

Obwohl Klimaangst und ihre Behandlung absolut nicht bagatellisiert werden sollten, geht es hier um die Frage nach Symptom und Ursache, denn langfristig hilft wohl nur: Den Klimawandel ernst nehmen und Maßnahmen ergreifen, die wirken. Auf politischer und gesellschaftlicher Ebene sowie auf persönlicher. Und dazu ist erstmal ein gewisses Klimabewusstsein nötig.

Tipps gegen Klimaangst

Was aber kann man tun kann, um dieses motivierende Bewusstsein nicht zu einer lähmenden Angst werden zu lassen? „Ich sage mir selber, dass ich mit meinem Verhalten etwas tun kann“, schreibt mir Alica. Sie ernähre sich überwiegend vegetarisch, oft auch mit veganen Mahlzeiten, kaufe regional so gut es eben ginge und führe ausschließlich Fahrrad oder Bahn, um ihr Gewissen zu erleichtern.

Lenarz empfiehlt zudem den Besuch von Demos und das sich-Umgeben mit Gleichgesinnten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Zu sehen, dass 10.000 Menschen sich für die gleichen Ziele einsetzen wie man selbst, ist tatsächlich ein wunderbares Gefühl – und wenn einem dann noch vegane Brownies angeboten werden, stellt sich doch ein gewisser Optimismus ein.
Außerdem könnte es sich lohnen, den eigenen Nachrichten- und Social Media-Konsum kritisch zu hinterfragen. Konstruktiver (Lokal-)Journalismus holt einen zurück auf den sprichwörtlichen Teppich, während minütlich eintrudelnde Meldungen zu Waldbränden, Überschwemmungen und Polarschmelze erstmal nicht relevant für den eigenen Alltag sind, einem aber ein Gefühl von Ohnmacht vermitteln können. Es ginge darum, eine gesunde Balance zu finden zwischen den Katastrophennachrichten, die man täglich hört, und den Hoffnung machenden, positiven Nachrichten, die einen ein bisschen zuversichtlich stimmen können, meint auch van Bronswijk.

Über den Telegram-Kanal t.me/Psy4f werden Tipps zu nachhaltigem Aktivismus gegeben und Gesprächskreise und Online-Workshops angekündigt. Die (kostenlosen) Unterstützungsangebote der Psychologists und Psychotherapists for Future findet ihr außerdem auf dieser Website.

Habt ihr weitere Tipps zum Umgang mit Klimaangst? Dann hinterlasst sie gerne in den Kommentaren!

Klimaangst

Anmerkungen

* ICD steht für Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Das ist sozusagen die Sammlung aller Diagnosen von der Weltgesundheitsorganisation.

Quellen

[i] Zusammenfassung der 18. Shell Jugendstudie
[ii] Psychologists for future-Flyer
[iii] Klima-Angst: Definition, Symptome, Behandlung 
[iv] Psychologists for future: Klimaangst – Anmerkungen zu einem aktuellen Schlagwort der Klimakrise
[v] ebd.